Sonntag, 4. November 2018
Resüme.
Die Nacht ist ein komischer Ort.
In ihr wächst meine Sehnsucht nach Körperlichkeit ins Unermessliche. In ihr trinke ich immer zu viel. Und ich rauche, aber immer nur nachts, und sehe dem Rauch hinterher, den ich gen Sternenhimmel puste.
In ihr sehen alle Männer besser aus. Auch du bist einer von ihnen. Nachts verfalle ich dir immer, versinke in deinem Blick, in deinen Augen. Am Tag drehe ich mich weg und sehe dich nicht an.
Auch gestern sah ich niemanden an, manchmal fing ich einen Blick auf, aber jeder Blick erinnert mich an dich und ich wollte an dich nicht denken, nicht nachts zumindest, also sah ich weg und ging mit zuviel Alkohol im Blut und zuviel Tabak in der Lunge nach Hause.
Sie ist ein komischer Ort, die Nacht.



Freitag, 2. November 2018
Herbst.
Zuviel Kopfschmerz, dem auch mit Schmerzmitteln nicht beizukommen ist. Ich laufe also frühmorgens los, manchmal hilft es, an der Luft, und laufe querfeldein, von der Bahn aus über die Herbstwiesen. Hunde bellen, die Morgenjogger sind unterwegs, das Herbstlaub knistert unter meinen Füßen. Ich denke nach, an dich, an ihn, ich denke über mich nach und darüber, was ich eigentlich will. Je länger ich dabei an dich denke, frage ich mich, ob, obwohl ich immer behauptet habe, ich hätte keinen Vaterkomplex, ich nicht doch eigentlich einen habe, und ob ich nicht doch die ganze Zeit nach jemandem suche, der einfach für mich sorgt und auf mich aufpasst. Allein diesen Gedanken zu denken, ruft direkt die Verachtung für das Zugeben meiner Schwäche hervor, aber ich schiebe sie weg, wie die Schwäche selbst, und vielleicht auch wie den Gedanken an dich.
Im Hintergrund geht die Sonne auf.



Montag, 29. Oktober 2018
Vertan.
Der Mann steigt im Anzug aus der Bahn aus, er kontrolliert, ob an der Endhaltestelle auch alle Fahrgäste ausgestiegen sind. Er steigt also aus der Bahn aus und sieht mich, die auf der Bank sitzt, an und bleibt stehen. Er starrt mich an, besinnt sich dann doch, während ich ihn prüfend von oben bis unten mustere. Er hält den Blickkontakt, bis er in den hinteren Waggon steigt und ich denke mir, nun müsste er gleich nochmal an mir vorbeilaufen, wenn er wieder zurückmuss, und tatsächlich tut er es, mit Blickkontakt, er fängt wieder meinen musternden Blick auf und lächelt, ich lächle nicht, aber ich denke mir, dass er eigentlich recht attraktiv ist und so sehe ich ihm nachdenklich hinterher.



Sonntag, 14. Oktober 2018
Abgründe.
Mein Leben entgleitet mir. Völlig. Gestern auf einer Vernissage angestoßen, Sekt getrunken, den Wodka der Gastgeberin geleert, mit der Begleitung auf der Rückfahrt beim Umsteigen das erste Bier, abends am Hauptbahnhof angekommen, gesagt: Los, wir holen uns noch eines., aus dem einen Bier wurden fünf, und irgendwann, während wir an irgendeinem See liegen, sehe ich meine Begleitung an, diesen feingliedrigen jungen Typ aus guter Familie, und obwohl ich ihn als letzten Mann auf dieser Welt flachlegen würde, muss ich mich plötzlich zusammenreißen, ihn nicht anzumachen. Auf der Heimfahrt sitze ich in der Bahn und gebe das gleiche Bild ab wie so oft in letzter Zeit. Den Kopf in die Hände gestützt, der Magen so kaputt wie der Kopf, frage ich mich, was zur Hölle aus mir noch werden soll.



Donnerstag, 11. Oktober 2018
Unknown.
Ich bin völlig erschöpft. Zu viel Schlafmangel, zu viel Arbeit, zu viele Schmerzmittel, die die Kopfschmerzen übertünchen sollen. Zu viel Denken, vor allem zu viel Denken an dich und daran, was das nun alles war und was es sollte und was es bedeutet oder ob es überhaupt etwas bedeutet. Ich weiß es nicht. Ich bin auch zu müde und zu kaputt, um darüber nachzudenken. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich die ganze Zeit daran denke, daran und an dich.



Donnerstag, 27. September 2018
Einsichten.
Jeder weitere Tag mit ihm macht mich krank. Seine manipulativen Spielchen, seine Art, die Dinge solange umzudrehen, bis er der Normale und die Welt gestört ist. Seine Rücksichtslosigkeit, mit der er mein Leben jeden Tag schwerer macht. Seine Unzuverlässigkeit in hundert von hundert Fällen.
Noch kranker macht mich allerdings, wie blind ich war. Dass ich an mir gezweifelt habe, daran, dass mein Gefühl richtig war. Dass ich nicht gemerkt habe, was wirklich los ist. Dass es mir bis heute schwer fällt, konsequent zu sein, sobald er seinen reumütigen Hundeblick aufsetzt.
Vorgestern war ich dann einmal konsequent. Ich sagte: Nein, das hat jetzt eben einfach Konsequenzen., und da rannte er raus, knallte mit der Tür und mir wurde erst da so richtig bewusst, dass er für mich als Mensch und Person noch nie etwas empfunden hat.
Ich war und bleibe Mittel zum Zweck.



Dienstag, 18. September 2018
Suchen.
Vielleicht suchen Sie nach Schutz., sagt die Frau mit der Brille fachmännisch. Schutz, denen Ihnen in der Vergangenheit niemand bieten konnte und von dem Sie jetzt denken, dass Sie ihn nur bei sich selbst bekommen.
Ich denke nach.
Zwischen Eingeengtsein und dem Gefühl, man ist dem anderen völlig egal, ist ja eigentlich ziemlich viel Raum. Aber in meinem Leben fällt irgendwie alles immer von einem ins andere.



Dienstag, 11. September 2018
Ankommen.
Abends, der frühherbstliche Himmel hängt über mir, ich atme ein, die Mischung aus U-Bahn-Luft, Abgasen und Imbissbudengeruch und fühle mich zuhause. Der Herbst kommt, das grelle Sommerlicht ist endlich vorbei, meine innere Uhr tickt wieder langsamer, alles ist ruhiger, jetzt. Dass er weg ist, dass ich weg bin, dass niemand mehr da ist...ich sehe mir den Gedanken an, seufze, und gehe nach Hause.



Sonntag, 19. August 2018
Annäherungen.
Er sitzt neben mir, und während die Frau am Klavier Debussy spielt und alle konzentriert oder verträumt nach vorne sehen, notiere ich unbemerkt meine Handynummer auf dem Programmzettel. In einer Zwischenpause, nach dem Applaus, kurz vor dem nächsten Stück, sage ich: Entschuldigung, ich glaube, das war Ihr Programm., und vertausche seines mit meinem. Als er die Nummer darauf bemerkt, sieht er mich von der Seite an, während ich unbeeindruckt der Pianistin lausche. Noch am gleichen Abend klingelt mein Telefon.



Mittwoch, 15. August 2018
Wünsche.
Langsam, aber doch stetig geht es mir leichter von den Lippen: getrennt. Single. Es ist immer noch ungewohnt. Auch das offene Flirten ist ungewohnt, instinktiv denke ich immer noch, ich dürfte mich dabei nicht erwischen lassen. Ich bin auch hin- und hergerissen zwischen dem, was ich will, und dem, was ich auf gar keinen Fall will. Ein bisschen Gemeinsamkeit, aber ja nicht zuviel. Ein bisschen Nähe, aber bloß nicht zu eng. Ein bisschen Verbindlichkeit, aber bitte nicht so nervig.
Ich habe mich all die Jahre beschwert, dass meine Partnerschaft eigentlich nie wirklich partnerschaftlich war. Aber lag das nicht auch an mir? War ich nicht eigentlich froh, dass es so war, wie es war, weil ich auch keine Verpflichtungen hatte? Weil es mich so wahnsinnig nervt, auf jemanden eingehen zu müssen, oder für jemanden da sein zu müssen oder mich um jemanden kümmern zu müssen, das alles ist mir völlig zuwider und widerspricht meiner ganzen Natur.