Montag, 27. April 2020
Energielosigkeit.
Krankheit. Krankheit und Sterben. Sterben und Tod. Tod.
Der alte Mann ist dement geworden. Zur Hälfte habe ich meine Kindheit bei ihm verbracht. Nun sitzt er zuhause und sagt: Ich will heim., fragt, wer im oberen Stockwerk wohnt, scheint plötzlich erschreckt und sagt: Warum sind Flüchtlinge in meinem Wohnzimmer? Natürlich sind keine Flüchtlinge in seinem Wohnzimmer, sondern nur Chaos in seinem Kopf. Ein Loch in seinem Herz, das noch zwanzig Prozent Leistung hat. Er wird sterben, in den nächsten Tagen.
Ich bin viele hundert Kilometer weg. Ich kann nichts machen. Meine Mutter ruft immer wieder an und lässt sich von mir trösten, weil sie immer die Nerven verliert und ich sie immer behalte, und weil wir so ein eingespieltes Team damit sind, dass sie panisch und weinend anruft und ich ruhig und rational die Realität erkläre, behalten wir es weiter so bei, und erst nachdem wir auflegen, lehne ich mich an den Mann und weine.

Viel Zeit dafür ist nicht. Die Arbeit fordert ihren Tribut und vor lauter Selbstdisziplin und Pragmatismus glaube ich manchmal, dass ich nicht einmal irgendwann zusammenbrechen oder aufgeben könnte, wenn ich es wollte, einfach, weil ich gar nicht weiß, wie es geht. Der Mann sagt: Du schaffst das schon., und ich sage: Naja, es gibt ja auch keine Alternative.



Mittwoch, 15. April 2020
Die Gewohnheit der Isolation.
Der Mann bezeichnet sich immer als Misanthrop. Tatsächlich vermisst er nun aber doch seine Freunde. Nun trinkt er per Zoom-Stammtisch ein Bier und lacht und freut sich.
Ich wohne jetzt fast ein Jahr hier. Hier in der Stadt, in die ich wegen dem Mann gezogen bin. Und ich kenne hier immer noch niemanden. Klar, ich kenne seine Freunde, aber das sind eben seine Freunde, auch wenn ich sie mag, aber es wären nunmal nicht meine Freunde. Mich nervt auch die Dankbarkeit, die von mir erwartet wird, weil sie mich ja ach-wie-gut aufgenommen hätten, so als wäre das etwas, wofür ich dankbar sein müsste, aber mich nervt auch meine Genervtheit und meine Arroganz, dass ich insgeheim glaube, dass ich viel zu gut für sie alle bin.
Aus der Metropole in die mittelgroße Stadt, das war ein Schlag für mein Ego. Und vielleicht denke ich deswegen bei jedem, den ich kennenlerne: Wer freiwillig hier wohnt, der kann mit mir ja kaum etwas gemein haben. Natürlich liegt es auch daran, dass ich die Hälfte der Woche gar nicht da bin, weil ich drei Stunden weg arbeite; natürlich liegt es auch daran, dass ich den Rest der Woche Homeoffice mache, und die wenige Zeit dann eigentlich am liebsten meine Ruhe habe; und natürlich liegt es daran, dass jetzt, wo ich dank Corona zuhause bin, wegen Corona aber die Zeit zuhause nicht mit dem Knüpfen von Freundschaften verbringen könnte.
Mir fehlt so gar nichts in der Isolation. Mein Leben ist im Grunde dasselbe, nur dass die vielen Meetings nun per Video statt in real stattfinden und ich nicht die Hälfte der Woche im Zug verbringe. Ich merke aber auch, dass mir in der Isolation nichts fehlt, weil mein Leben im Grunde immer in der Isolation stattfindet. Ich sehe meine Familie eh nur zweimal im Jahr, also macht das eine Mal weniger auch nichts aus. Die Freunde, die ich zu meinen engeren zähle, treffe ich aufgrund der großen Distanz zwischen uns, auch nur im Schnitt zwei- bis viermal im Jahr - auch hier also: keine Umgewöhnung. Wen ich sehe, ist: der Mann (auch jetzt), meine Kollegen (nun also per Video) und die Freunde des Mannes (die mir jetzt nur so bedingt fehlen). Ich sehe also im Alltag abgesehen vom Mann sowieso keine Leute, aus denen ich mir irgendetwas mache. Eigentlich bin ich also immer isoliert. Ehrlich gesagt fühle ich mich auch oft so.
Das klingt traurig, ehrlich gesagt. Und, schockierenderweise: Es ist es auch.



Freitag, 20. März 2020
Melancholia.
Der Mann ist schlecht drauf. Er hat Angst wegen Corona. Er macht sich Sorgen um seine alte Mutter, um seinen Job, um sich und darum, was werden soll.
Ich fühle mich wie die Protagonistin in Lars von Triers Melancholia. Ich kann mir meine viermilliarden wöchentlichen Dienstreisen sparen, mein Arbeitsalltag hat sich dadurch deutlich entzerrt, ich brauche kein schlechtes Gewissen haben, dass ich keine anderen Menschen sehen will, und nun muss ich mich noch nicht mal schlecht fühlen, wenn ich bei gutem Wetter auf dem Balkon sitze, aber zu faul zum rausgehen bin - ist ja auch besser, Infektionsschutz und so. Heute morgen wache ich regelrecht gutgelaunt auf, sogar so etwas wie "fröhlich" (wer hätte das gedacht?), während alle um mich herum Endzeitstimmung verbreiten und ich irgendwann noch jemanden dafür umbringen werde, dass er oder sie "Bleib gesund!!" statt "Viele Grüße" als neue Grußformel nutzt. Muss ich mich schlecht fühlen, weil ich mich gerade ganz gut fühle? Wer weiß.



Sonntag, 24. November 2019
Wortlos.
Es ist frustrierend. Ein Problem, egal welches, das ich mit dem Mann bespreche, oder eher zu besprechen versuche, führt immer wieder zu seinem Lieblingssatz: Ich kann dazu nichts sagen.
Familienangelegenheiten, Entscheidungen im Beruf, selbst die profane Frage danach, ob ich einen Arzttermin ausmachen sollte oder nicht - nie kann er etwas dazu sagen.
Was er aber sagen kann, ist, dass ich angeblich ständig schlecht drauf sei. Er mache sich Sorgen. Wegen meiner dauernd schlechten Laune. Als ich zu bedenken gebe, dass das vielleicht auch einfach mein Charakter sein könnte - keine Reaktion.
Über seine Probleme redet er nicht. Wenn, würde ich vermutlich etwas dazu sagen.



Samstag, 12. Oktober 2019
Fremdheit.
Er ist mir fremd, an manchen Tagen. Gestern schon, als ich wieder von einem langen Tag mit Meetings und Fernfahrten komme und zuhause mit einem Glas Rotwein sitze, und er vom Biertrinken mit einem Freund kommt, nach Knoblauch und Ouzo riecht und mich in den Arm nehmen will und ich wegrutsche.
Ich traue mich kaum, es zu schreiben, aber ich habe tatsächlich keine Lust auf Sex. Null. Das ist neu für mich. Ich habe immer Lust auf Sex, ich brauche Sex, um mich zu entspannen, um einen stressigen Tag stressig sein zu lassen, ich brauche Sex, um mich wohlzufühlen, und einzuschlafen, gerne kurz, aber oft.
Nun hatten wir letzte Woche ein einziges Mal Sex und es ist mir gar nicht aufgefallen, wie wenig es war. Und das war zugleich das letzte Mal. Gestern hätte er gerne gewollt, merke ich. Er schmiegte sich an mich und fasste mich an, aber als ich nicht reagierte, gab er auf. Ich weiß nicht, ob ich ihn nicht auch absichtlich abweise, weil es mich nervt, dass er so schnell aufgibt. Dass wir vorher so oft und viel Sex hatten, lag an mir, weil ich die Initiative ergriffen habe und mich nicht abwimmeln ließ. Er zeigt ein bisschen Interesse, und wenn ich dann nicht aktiv werde, lässt er es bleiben.
Es geht mir sowieso auf die Nerven, dass immer ich alles entscheiden soll. Was machen wir heute, was kochen wir heute, willst du dorthin, willst du jenes - ich will vor allem nicht entscheiden, und sage das auch, aber was bringt es.
Ich bin frustriert. Ich weiß nicht, warum.



Dienstag, 3. September 2019
Familienbesuche.
Die Mutter des Mannes kommt. Mit ihrem Freund.
Die Mutter des Mannes meckert von morgen bis abends.

Zur Mutter des Mannes komme ich an Ostern mit. Und an Weihnachten. Und vielleicht noch, wenn mir keine Ausrede einfällt, an ihrem Geburtstag. Aber sonst nicht. Und wenn sie hierher kommt, dann bin ich weg. Aber heute bin ich zuhause. Leider.

Ein Hoch darauf, dass diese Wohnung nur Durchgangszimmer und Glastüren hat. Eigentlich mag ich das. Heute mag ich das gar nicht. Nun sitzen sie im Wohnzimmer, und wo soll ich hin? Ich sitze also im Arbeitszimmer, im Aquarium, auf dem Präsentierteller, und tue so, als ob ich arbeiten würde. Zuvor habe ich mich noch mit dem Mann gestritten ob seiner Penibilität. Die ganze Wohnung putzt und wienert er, weil seine Mutter kommt, die dann wieder von morgens bis abends meckert, und der Mann danach nur schlechte Laune deswegen hat. An meinem Putzstil (ich bin nun wirklich keine Hausfrau) lässt er kein gutes Haar, ebenso, wie er sich dauernd beschwert, ich würde die Schubladen offen lassen (merke ich nicht) und sowieso so unordentlich sein. Ich hatte ihm das schon bei unserem ersten Date gesagt, dass ich unordentlich bin. Ich bin eben nur in meinem Beruf gut (immerhin das), ansonsten halten sich meine menschlichen und restlichen Qualitäten eher so in Grenzen.

Vor allem bin ich kein Familienmensch. Ich auch nicht., sagt der Mann. Wohl!, denke ich, wenn er jeden Donnerstag brav zu seiner Mutter fährt und ihr die Wohnung putzt, während sie ihn zum Dank anmeckert. Ich hasse Familie.



Freitag, 30. August 2019
Abwärts.
Schweigend sitzen wir nebeneinander im Auto.
Dann tauschen wir drei Sätze wegen eines Termins nächster Woche.
Er sagt: Danke, dass du die Wohnung geputzt hast. Ich sage: Mh.
Schweigen.
Ich sage: Danke fürs Abholen. Er sagt: Mh.

Nun sitze ich am Rechner und tue so, als würde ich arbeiten, während er drüben einen Film sieht.
Schweigen.
Entfremdung.
Es geht den Bach runter.



Komplimente.
Ich bin frustriert. Ich glaube, das erste Mal, seit ich in dieser Beziehung stecke, bin ich frustriert.
Ich habe jetzt seit drei Wochen Urlaub. Zeit, in der mir die Decke auf den Kopf fällt. Zeit, die wir größtenteils zusammen verbracht haben.
Ich bin froh, Ruhe zu haben, bevor es in eineinhalb Wochen wieder losgeht mit dem Leben im Zug, den Fristen, dem Dauerstress, den vielen Dienstreisen und Übernachtungen auswärts.
Keine Ahnung, ob er das nicht versteht, nicht verstehen will, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis er mir wieder schreiben wird, dass ein Tag ohne mich ein schlechter Tag ist, an den vielen Tagen, an denen ich dann wieder nicht da bin. Aber jetzt, gerade, sagt er stattdessen, er bräuchte Zeit für sich, Raum, wäre auch mal froh, einen Tag alleine zu haben .
Ich bin frustriert. Ich bin frustriert davon, dass er mich nicht nervt. Dass anscheinend aber ich ihn nerve. Ich bin frustriert, dass er die gemeinsame Zeit nicht so schätzt wie ich. Ich bin frustriert, dass er mir so wenig Komplimente macht. Ich bin frustriert, dass er neulich sagte, ich würde ihm zu viele Komplimente machen. Ich bin frustriert, weil ich ja auch gerne weniger Zuhause wäre, aber hier in der Provinz, wo soll ich hin? Ohne ihn wäre ich ja nie hier hin gezogen.
Viel Frust, wenig Freude. Ich weiß nicht, wie das werden soll.



Dienstag, 27. August 2019
Risse im Selbstbild.
Am Sonntag sitzen wir auf dem Balkon unserer Jugendstilvilla, trinken Gin Tonic und der Mann sagt: Ich geh morgen mit XY abends ein Bier trinken. Ich sage: Ach, schön, dann mache ich was mit...
Ich stocke.
mit....
Ich überlege.
Ich überlege länger.

Kurzer Gedankensprung: Vor etwa einem Jahr saß ich noch auf dem verschlissenen Balkon meiner kleinen Wohnung in der Metropole, guckte auf den Garten, in dem die tätowierte Frau im Spaghettiträgertop mit grünen Haaren und Raucherstimme ihren Sohn anbrüllte. Ich war völlig am Ende. Ich hatte schlicht zu viele Sozialkontakte. Mir war schon schlecht von dem vielen Kaffee und Kuchen, auf den ich mich täglich mit A und B und C und D traf. Mein Terminkalender platzte aus allen Nähten, und das zusätzlich zu den zig beruflichen Terminen. Ich musste etwas tun, und fing an, auszusortieren. Mit A hatte ich eh nichts mehr gemeinsam. B war weggezogen und ich hatte keine Lust, jedesmal zu fahren. C bekam es nie hin, sich von sich aus zu melden, und D? Ach, die traf ich doch eh nur, weil ich es nicht übers Herz gebracht hatte, ihr zu sagen, dass ich sie eigentlich gar nicht mag.
Für mich war es also ein Erfolg, mein Umfeld auszusortieren, Freundschaften hinter mir zu lassen.Es machte ja auch nichts. In der Metropole gibt es immer Nachschub, man lernt ja sowieso ständig neue Leute kennen.

Und dann, dann kam der Mann.
Der Mann, wegen dem ich die Metropole verließ.

Und jetzt sitze ich auf dem Balkon jenseits der Metropole und weiß, nachdem die gute X im Urlaub ist, und ich keine Lust habe, für ein Glas Wein am Abend zwei Stunden zu Z zu fahren, zur Hölle nicht, mit wem ich einen Abend verbringen kann.
Und es gibt keinen Nachschub. Das hier ist nicht die Metropole. Ich bin die Hälfte der Woche nicht vor Ort. Vor lauter Arbeit, dem Wunsch nach Ruhe und Alleinsein und dem überdimensionierten Freundeskreis des Mannes habe ich gar nicht bemerkt, dass mein Umfeld sich zahlenmäßig erst dezimiert hat und sich langsam aber sicher Richtung Null bewegt.

Der Mann will helfen, schlägt vor, ich solle doch etwas unternehmen, mich in einem sozialen Netzwerk anmelden, einen Kennenlernabend mitmachen. Am nächsten Tag erzählt er XY davon, der glaubt, ich solle mich in einem Künstlerdorf engagieren. Mich machen die Vorschläge fassungslos. Als sei ICH jemand, der verzweifelt nach Bekannten suchen müsste!
Aus Langeweile schreibe ich K., die einzige aus dem Bekanntenkreis des Mannes, die selber in der Metropole gewohnt hat, selber hier ins Grüne gezogen ist und mir letztens einsam schien mit ihrem viel zu großen und viel zu unbeholfenen Mann. Sie schreibt freudig zurück, was mich kaum interessiert. Der Mann glaubt, mich aufmuntern zu müssen und sagt: Ja Mensch, toll, wie nett sie dir geschrieben hat! Als sei ICH jemand, der dankbar sein müsste, wenn sich jemand mit ihr treffen will!

Das Ganze macht mich fassungslos. Mich macht es fassungslos, mir den Mann mit seinem Freund XY vorzustellen, wie sie gemeinsam überlegen, wie ICH Freunde finden könnte, ICH, die in den letzten Jahrzehnten von Stadt zu Stadt zog und sich nach kürzester Zeit vor Sozialkontakten kaum retten konnte. Nur weil ich in dieser Provinz gelandet bin, und hier in der Jugendstilvilla fernab jeglichen Lebens keine Chance habe, rauszukommen, zu atmen, diesem Gefängnis der ganz eigenen Sorte zu entfliehen.

Es wird Zeit, dass mein Urlaub vorbei ist und ich mich wieder in die Arbeit stürzen kann.



Samstag, 10. August 2019
Zufälle.
Es gibt ja Frauen, die sollen einen guten Einfluss auf Männer haben. Ab und an höre ich einen von ihnen, der sagt: Ach, seit ich meine Frau kenne..., und dann folgt ein langer Schwall von Lobesbekundungen. Seither wissen sie, was zählt, seit diese ihnen ein Ultimatum gestellt hat, ihnen den Kopf gewaschen hat, ist ihr Leben besser und sie haben wasauchimmer (es soll aber wichtig sein) erkannt.
Ich bin offenbar das Gegenteil dieser Frauen.
Meine Bilanz? Vernichtend.

Partner Nr. 1: Ausgezeichnetes Talent, hervorragend und gebildet. Nach dem Beginn unserer Beziehung zweieinhalb Jahre arbeitslos, depressiv, von morgens bis abends im dunklen Zimmer vorm Bildschirm. Nach unserer Trennung erfolgreiche Ausbildung, heute Leiter einer Institution.

Partner Nr. 2: Bei unserem Kennenlernen sichere und gutbezahlte Position. Kurz nach dem Beginn unserer Beziehung kündigt er und ist geschlagene sechs Jahre arbeitslos. Privatinsolvenz. Inkasso. Schulden. Nach der Trennung stirbt eine entfernte Verwandte und er erbt einen sechsstelligen Betrag.

Nachdem nun Partner Nr. 3 bei unserem Kennenlernen überdurchschnittlich erfolgreich war und er jetzt, seit wir uns kennen, auftragslos und zielsicher in die Insolvenz marschiert, muss ich nun, ganz ernsthaft, über meine Rolle in dem Ganzen nachdenken.



Dienstag, 6. August 2019
Abschnitte.
Gestern abend, als ich auf dem Balkon der Villa im Grünen sitze, wird mir schlagartig bewusst, dass ein Teil meines Lebens vorbei ist.
Die letzten Jahrzehnte habe ich damit verbracht, von einem morgen zu träumen, in dem ich erfolgreich wäre, respektiert, gefragt, mit einem Partner an meiner Seite. Anstatt im Moment zu leben, habe ich mir vorgestellt, wie ich das, was ich gerade tue, teilen würde, mit dem, der da eines Tages käme, und ich war immer überzeugt, dass das nie passieren würde, dass da niemand käme.
Und jetzt? Jetzt bin ich da, wo ich sein wollte. Ich erhalte Mails mit Angeboten, die Blicke hängen respektierend und bewundernd an mir, der Mann ist ein Traum, und der Sex ist toll. Was will man mehr.
Aber gestern, plötzlich auf dem Balkon, als ich den Gin Tonic in der Hand halte, und meinen Blick über das Grün schweifen lasse, wird mir klar, dass die Suche vorbei ist. Die Jahre des Leidens, des Verachtetwerdens, des Fallens, der Scheiße, der Abstürze, Unsicherheit, des Einsamseins. Des Gefühls, dass es keinen interessiert, wenn man sterben würde.
Das absurde ist jetzt, dass ich diese Jahre, Jahrzehnte des Suchens und Leidens jetzt schon fast vermisse. Es war schlimm. Aber aufregend. Ich wusste nie, was morgen kommt, wie es mir morgen geht, wohin der Weg führt. Illusion, Desillusion, Tragödie - alles lag so eng beieinander.
Ich habe Angst, dass es jetzt lau wird.