(Un)männlichkeiten.
Gegenüber in der Bahn sitzt ein älterer Mann, der definitiv Probleme mit dem Älterwerden hat. Das Resthaar hat er trumpiesk aufgeplustert und zurückgegelt, der Anzug ist eine deutliche Spur zu ausgefallen, das Einstecktuch schlicht geschmacklos, und es gibt mir den Rest, als er in seine Jackentasche greift und eine Schuhpolitur für unterwegs herauszieht, mit der er sich die Lackschuhe spiegelgleich poliert. Während er das tut und ich ihn beobachte, merke ich, wie noch ein anderer jüngerer Typ ihn ebenfalls irritiert ansieht, unsere Blicke treffen sich und wir grinsen vielsagend. Der Alte hingegen will am Hauptbahnhof aussteigen und steht dafür schon viel zu früh auf, als würde er sonst den Ausstieg sicher verpassen. Er tastet seine Jackentaschen ab und atmet etwas zu laut auf, als er den Schlüssel klimpern hört. Es gibt, denke ich mir, während ich ihm emotionslos zusehe, nichts unmännlicheres als Panik und Hysterie. Im gleichen Moment ertönt die falsche Durchsage und der Alte bekommt fast einen Herzanfall: Ist das hier gar nicht der Hauptbahnhof., fragt er mich schnappatmend und ich sage: Doch, doch., und er strahlt mich an. Als die Bahn hält, versucht sich der Alte noch in Galanterien, lässt mich mit einer etwas zu jovialen Geste vor ihm aussteigen, mit einem schmierigen: Ladies first, was ich mit einem mitleidigen Lächeln quittiere.