Irritationen.
Als ich gestern abend wieder einmal diesem Kulturfunktionär über den Weg lief, was in regelmäßigen Abständen bei diversen Veranstaltungen passierte, der mich dann sogar kurz ansah, vermutlich weil ich ihm bekannt vorkam, aber dann wieder wegsah; als ich ihm gestern Abend also wieder einmal über den Weg lief, fühlte ich mich an ein Ereignis kurz nach meinem Abitur erinnert. Damals hatte ich ein Praktikum absolviert, und wurde einem überaus hübschen Kollegen vorgestellt. Doch egal, was ich auch tat, er blieb zwar nett, aber distanziert. Nichts, aber auch gar nichts schien ihn auch nur in irgendeiner Weise an mir anzusprechen, und das derart offensichtlich, dass ich letztendlich zu dem Schluss kam, der Kollege könne nur schwul sein. Gegen Ende meines Praktikums traf ich eine andere Praktikantin, durchaus attraktiv, und bei einem Glas oder auch mehreren Gläsern Wein klagte ich ihr mein Leid, und sie riss es vor Lachen fast vom Barhocker. Sie hatte sich tatsächlich, wie ich, auch in den hübschen Kollegen verguckt, und das gleich an ihrem ersten Tag, woraufhin sie, wie ich, vergeblich versucht hatte, ihm irgendwie ein Zeichen des Flirts zu entlocken, und schließlich, wie ich, auch glaubte, dieser Mann könne schlichtweg nur schwul sein. Doch die Praktikantin wusste noch mehr. Besagter Kollege, so sagte sie, war nicht schwul, sondern hatte tatsächlich eine Freundin. Ich lachte und sagte: Na klar., und glaubte ihr nicht. Aber dann, am nächsten Tag in der Mittagspause, stand da eine Blonde und fragte nach dem Kollegen und fassungslos sah ich zu, wie er strahlend auf sie zukam und sie küsste. Die Praktikantin und ich standen daneben und konnten die Welt nicht mehr verstehen.