Überraschungen.
In meinen Mittzwanzigern arbeitete ich bei einem Projekt in einer anderen Stadt. Schon bei den Probenzeiten erfuhr ich, dass der weibliche und der schwule Teil des Orchesters rettungslos verliebt in den blonden Posaunisten war, dieser jedoch niemanden eines Blickes würdigte.
Auf der Premierenfeier stand ich in der Tür und unterhielt mich, als der Posaunist durch ebenjene schritt, wie vom Donner gerührt stehenblieb und mich ansah: Hi., ich sah ihn verdutzt an und sagte, mit deutlicher Ironie: Hi?. Ab da wich er nicht mehr von meiner Seite. Die Bratschistin und die Klarinettistin sahen ungläubig und eifersüchtig herüber, während er seinen Arm um mich legte, mich umgarnte und mir eindeutige Angebote machte. Wie alt bist du eigentlich., fragte ich ihn noch und er sagte, er sei dreiundzwanzig. Zu jung, eigentlich, und so hübsch und galant, dass er seinen Hahnenstatus verdient hätte, fand ich ihn eigentlich auch nicht, aber ich fühlte mich, das muss ich doch deutlich sagen, geschmeichelt und so kam er mit nach Hause.
Am nächsten Tag, nachdem ich ihn doch mehr oder weniger brüsk hinausgeworfen hatte, da er mir deutlich zu anhänglich war, sagte eine Kollegin: Na, da hattest du aber Glück, er ist nämlich gerade erst achtzehn geworden., und ich sah sie entsetzt an. Aber er schien nun auch immer wegzusehen, wenn wir uns sahen, und ich tat es nicht weniger und eigentlich war es mir auch egal.
Bis zur Abschiedsfeier, als ich mit dem Techniker am Tisch saß und flirtete, und der Posaunist plötzlich neben uns stand. Er vertrieb die Klarinettistin vom Stuhl neben mir, setzte sich, und legte unter dem Tisch direkt seine Hand auf mein Bein, aber dort blieb sie nicht, nein, er ließ sie direkt zwischen meine Beine rutschen. Ich flirtete unbeeindruckt weiter mit dem Techniker, während er dort immer heftiger zugange war. In der allgemeinen Aufbruchsstimmung legte er wieder seinen Arm um mich, und, auf der Straße angekommen, zog er mich in den nächsten Hauseingang, schob mir meine Bluse hoch und umfasste mich leidenschaftlich. Ich war froh, dass es dunkel war, musste ich doch ein Lachen unterdrücken und die völlige Verständnislosigkeit, was zur Hölle er eigentlich von mir wollte, also: von mir? Aber ich ließ ihn gewähren, und später verabschiedeten wir uns recht trocken. Das war das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben.