Samstag, 3. Februar 2018
Ausflug.
Mmh, lecker, sagt sie, und kaut versonnen.
Meinst du das Essen oder die Bedienung, frage ich, und blicke auf den jungen breitschultrigen Typen mit den schönen breiten Oberarmen, dessen weißes Shirt sich eng über seinen muskulösen Oberkörper spannt.
Beides, sagt sie, und grinst.
Das Objekt unseres Begehrens bemerkt unsere Blicke, wie wir da sitzen und ihn versonnen ansehen, und lächelt irritiert und zugleich verschämt.
Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre..., beginnt sie.
...dann würdest du trotzdem lieber essen., beende ich für sie den Satz. Wir müssen dringend woanders hinsehen, sage ich zu ihr, während ich den jungen Typen weiter fixiere: Er wird sonst noch rot.
Unbedingt., sagt sie. Wir wollen den Jungen ja nicht verschrecken.
Sagte sie und ich nicke und wir sehen ihn weiter versonnen an.



Freitag, 2. Februar 2018
Stories.
Manchmal denke ich noch an ihn mit den immergleichen Geschichten, wie er sich über den kahlen Kopf strich, mit seinen dunkel eingefallenen Augen lächelte, und fragte, ob wir nicht zu mir gehen wollen. Woche für Woche saßen wir im Café, Woche für Woche tranken wir jeder einen Cappuccino, Woche für Woche fragte er, ob wir zu mir gehen wollen, Woche für Woche nickte ich. Bis er eines Tages einfach verschwand. Ich habe nie wieder von ihm gehört.



Donnerstag, 1. Februar 2018
Fragen.
Er ist bei ihr.
Er ist bei ihr und ich bin hier.
Er ist bei ihr und ich bin hier und denke.
Er ist bei ihr und ich bin hier und denke an dich.
Er ist bei ihr und ich bin hier und denke an dich, aber du bist selbst auch bei einer anderen "ihr", und letztendlich denke nur ich nach über mich, und über ihn und über dich und die Frage, warum ich am Ende immer alleine bin.



Mittwoch, 31. Januar 2018
Utopie.
Ich weiß noch, wie ich einmal mit einem Komponisten in einem Konzert saß, ich saß neben ihm und wir redeten und plötzlich, ja plötzlich, da nahm er seine Eintrittskarte und bog sie zu einem Schnabel und er ließ ihn auf- und zuklappen und ahmte die gleiche Bewegung mit seinem Mund nach. Ich lachte. Ich lachte und einen kurzen Moment zerriss es mich schier vor Sehnsucht nach einem Leben, in dem der Komponist mein Mann wäre und ich seine Frau und man nach dem Konzert mit dem Volkswagen ins Reihenhaus zum Golden Retriever und den zwei Kindern fuhr.



Dienstag, 30. Januar 2018
Remember.
Weißt du noch? Der trubelige Abend im Restaurant, du hast mir tief in die Augen geblickt, mir immer wieder nachgeschenkt, mir wurde schwindlig, wenn ich dich angesehen habe.
Weißt du noch? Als wir dann zusammen vor der Tür geraucht haben und du mich fragtest: Wie, du rauchst? Und ich sagte: Du weißt viel nicht von mir.
Weißt du noch? Der Frauenschwarm legte den Arm um mich und ich sah die Wut in deinen Augen, du sprangst auf und gingst.
Weißt du das, weißt du das noch? Bis heute blickst du mir tief in die Augen, aber es ist wie ein längst erloschenes Feuer, es ist nichts mehr darin außer kokelnder grauer Rauch.



Montag, 29. Januar 2018
Ausschnitte.
Händeschütteln, lächeln, das Glas Sekt in der Hand. Das ist der Herr Soundso, Dezernent, Vorsitzender, Vorstand., sagt der Weltmännische neben mir, und der Wieauchimmererheißt sieht mir erst tief in die Augen und dann in den Ausschnitt.
Du hast mir neulich auch in den Ausschnitt gesehen, als du dich zu mir beugtest und mich fragtest, ob ich nun wohl keinen Alkohol mehr trinken würde, und ich sagte, das sind hier nicht meine Preise und du lächeltest und bestelltest mir ein Glas für eine Unsumme. Trotzdem bist du nach Hause zu deiner Frau gegangen.



Sonntag, 28. Januar 2018
Windows at night.
Aus der stehenden Bahn der Blick durch das Dunkel in die hellen Fenster, ein Mann im Büro, müde vor dem leuchtenden Bildschirm, der Tastatur, sich die Augen reibend, schließlich den Kopf resigniert auf den Tisch legend. Er richtet sich wieder auf, sieht melancholisch nach draußen durch das Dunkel in die hell erleuchtete Bahn, er fängt meinen Blick auf, wir sehen uns an, dann fährt die Bahn los. Vorbei.



Samstag, 27. Januar 2018
Russia.
„You know what they say about Russia“ sagt er, mit den stahlblauen Augen, das Hemd oben etwas aufgeknöpft, die markanten Finger, die den Wodka halten. Ich sehe ihn an und er beugt sich zu mir und flüstert mir ins Ohr, dass ich seinen Atem spüre, die Bartstoppeln über meine Wange kratzen: „You only know Russia when you fucked a Russian“, er beugt sich wieder zurück und steht da nun, die Finger um das Glas, die Finger, die sich sicher nicht nur fürs Gläserhalten eignen, der stahlblaue Blick, der mich fixiert. Ich sehe ihn ausdruckslos an und sage dann: „Is this an offer?“ und er grinst und nickt. Ich kippe meinen Wodka, fasse ihm im Vorbeigehen in den Schritt und sage: „Your place or mine?“