Dienstag, 13. Februar 2018
Pathos und Erfolg.
Neulich abends fragte ich dich wegen einer Veranstaltung und du beugtest dich zu mir und sagtest: Die Chefin davon ist meine Ex.
Ich dachte nicht an dich oder deine Ex, aber an meinen Ex und was er nun wohl so macht. Das letzte Mal, dass ich ihn sah, saß er auf dem Badewannenrand und heulte sich die Seele aus dem Leib. Ich sagte, komm das bringt doch nix., und schickte ihn vor die Tür, er klingelte Sturm, ich machte auf und er sagte pathetisch: Sag mir, dass es aus ist, sag es., und ich sah ihm in die Augen und sagte klar und deutlich: Es ist aus und das war es schon lange., und er heulte auf und verschwand, ich kontrollierte noch Wochen später die Todesanzeigen, weil ich schon fürchtete, er hätte in dieser Nacht sein Auto gegen einen Baum gesteuert, wo ich schon wenige Nächte später mit einem jungen Medizinstudenten im Bett lag. Ich dachte also an meinen Ex und was er nun wohl so macht, und tatsächlich hatte er, der immer nur der Gescheiterte an meiner erfolgreichen Seite war, tatsächlich hatte er sein Leben hinbekommen, leitete jetzt eine Institution, sah zwar fürchterlich schrecklich aus, aber war verheiratet und erfolgreich. Manchmal frage ich mich, ob das an mir liegt, ob ich meinen Gegenpart ins Versagen dränge und ohne mich eine Last vom andern abfällt.



Montag, 12. Februar 2018
Träume.
Heute Nacht habe ich wieder von dir geträumt. Es erinnerte mich an diesen einen Traum, als ich träumte, dass ein fremder Mann mich in ein Zimmer stieß, mich an den Haaren riss und ich ihm erregt die Hose herunterzog, doch dann hörte, dass jemand die Treppe hinauflief und in Panik, man könnte mich hier mit dem Fremden entdecken, aufsprang, in den Flur rannte, die Tür zum Treppenhaus öffnete und dich die Treppe hinaufstürmen sah. Als du mich da in der Tür erblicktest ohne den Fremden, allein und angezogen, schienst du sichtlich erleichtert.



Dienstag, 6. Februar 2018
Winter.
Es ist kalt, mir ist kalt. Es ist kalt, mir ist kalt, und mir wird noch kälter, wenn ich dich ansehe. Es ist kalt geworden zwischen uns, nur noch kalt.
Erinnerst du dich an den Sommer, an das Feuer, den Rotwein, die brennenden Blicke? Die lauen Sommernächste am See? Rauchend, trinkend, Haut an Haut?
Der See ist gefroren. Dein Herz auch.



Montag, 5. Februar 2018
Sein.
Es ist fünf Uhr morgens, die meisten sind schon nach Hause gegangen. Nur wir stehen noch da, ich, die Blonde, der Schlanke und er. Während die Blonde und der Schlanke tanzen, raunt er mir schmutzige Dinge ins Ohr und schiebt seine Hand unter mein Kleid. Mir ist schwindlig, also trinke ich.
Der Schlanke setzt sich volltrunken ans Klavier und spielt, schön und ruhig und verträumt, die Blonde setzt sich auf den Boden und hört zu. Ich setzte mich auch, auf die Couch, und er legt sich hin, den Kopf in meinem Schoß, ich streiche ihm gedankenverloren durchs Haar und wir lauschen und sind ganz hier, in dem Moment, den wir morgen längst vergessen haben.



Sonntag, 4. Februar 2018
Berührungen.
In der Bahn, gegenüber ein Mann, ich sehe aus dem Fenster und sehe in der Spiegelung, dass er mich beobachtet. Im Tunnel, durch das Dunkel und die Spiegelungen der Spiegelungen mustere ich ihn, seine grau melierten Haare, sein Maßanzug, er sieht ein wenig aus wie du, und ähnlich wie du ist er mir eigentlich zu schlank.
Ich beobachte ihn weiter und erschrecke, als plötzlich eine Hand mein Knie berührt, er beugt sich nach vorne, streicht mir schon fast zärtlich über das Knie, und dann fragt er, mit einem Kopfnicken zum Boden weisend: Ist das ihr Einkaufszettel, der da liegt?, ohne seine Hand von meinem Knie zu nehmen. Nein, aber danke für die Frage, sage ich, merke gerade noch rechzeitig, dass ich aussteigen muss und werfe ihm ihm beim Aussteigen noch einen tiefen Blick zu.



Samstag, 3. Februar 2018
Ausflug.
Mmh, lecker, sagt sie, und kaut versonnen.
Meinst du das Essen oder die Bedienung, frage ich, und blicke auf den jungen breitschultrigen Typen mit den schönen breiten Oberarmen, dessen weißes Shirt sich eng über seinen muskulösen Oberkörper spannt.
Beides, sagt sie, und grinst.
Das Objekt unseres Begehrens bemerkt unsere Blicke, wie wir da sitzen und ihn versonnen ansehen, und lächelt irritiert und zugleich verschämt.
Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre..., beginnt sie.
...dann würdest du trotzdem lieber essen., beende ich für sie den Satz. Wir müssen dringend woanders hinsehen, sage ich zu ihr, während ich den jungen Typen weiter fixiere: Er wird sonst noch rot.
Unbedingt., sagt sie. Wir wollen den Jungen ja nicht verschrecken.
Sagte sie und ich nicke und wir sehen ihn weiter versonnen an.



Freitag, 2. Februar 2018
Stories.
Manchmal denke ich noch an ihn mit den immergleichen Geschichten, wie er sich über den kahlen Kopf strich, mit seinen dunkel eingefallenen Augen lächelte, und fragte, ob wir nicht zu mir gehen wollen. Woche für Woche saßen wir im Café, Woche für Woche tranken wir jeder einen Cappuccino, Woche für Woche fragte er, ob wir zu mir gehen wollen, Woche für Woche nickte ich. Bis er eines Tages einfach verschwand. Ich habe nie wieder von ihm gehört.



Donnerstag, 1. Februar 2018
Fragen.
Er ist bei ihr.
Er ist bei ihr und ich bin hier.
Er ist bei ihr und ich bin hier und denke.
Er ist bei ihr und ich bin hier und denke an dich.
Er ist bei ihr und ich bin hier und denke an dich, aber du bist selbst auch bei einer anderen "ihr", und letztendlich denke nur ich nach über mich, und über ihn und über dich und die Frage, warum ich am Ende immer alleine bin.



Mittwoch, 31. Januar 2018
Utopie.
Ich weiß noch, wie ich einmal mit einem Komponisten in einem Konzert saß, ich saß neben ihm und wir redeten und plötzlich, ja plötzlich, da nahm er seine Eintrittskarte und bog sie zu einem Schnabel und er ließ ihn auf- und zuklappen und ahmte die gleiche Bewegung mit seinem Mund nach. Ich lachte. Ich lachte und einen kurzen Moment zerriss es mich schier vor Sehnsucht nach einem Leben, in dem der Komponist mein Mann wäre und ich seine Frau und man nach dem Konzert mit dem Volkswagen ins Reihenhaus zum Golden Retriever und den zwei Kindern fuhr.



Dienstag, 30. Januar 2018
Remember.
Weißt du noch? Der trubelige Abend im Restaurant, du hast mir tief in die Augen geblickt, mir immer wieder nachgeschenkt, mir wurde schwindlig, wenn ich dich angesehen habe.
Weißt du noch? Als wir dann zusammen vor der Tür geraucht haben und du mich fragtest: Wie, du rauchst? Und ich sagte: Du weißt viel nicht von mir.
Weißt du noch? Der Frauenschwarm legte den Arm um mich und ich sah die Wut in deinen Augen, du sprangst auf und gingst.
Weißt du das, weißt du das noch? Bis heute blickst du mir tief in die Augen, aber es ist wie ein längst erloschenes Feuer, es ist nichts mehr darin außer kokelnder grauer Rauch.